Ich habe einen wundervollen Vater. Er kennt mich seit ich 7 Monate alt bin. Und egal ob er biologisch gesehen nun mein Elternteil ist - er war ist und wird immer mein Papa sein. Ich bin unglaublich dankbar so einen tollen Vater zu haben und unglaublich dankbar, dass er mich sofort als seine eigene Tochter gesehen hat. Dass meine Großeltern mich als ihr Enkelkind sehen, obwohl das biologisch gesehen nicht richtig ist. Aber das war immer egal. Und ich bin wirklich unendlich dankbar so eine wundervolle Familie zu haben. Aber darum soll es in diesem Post nicht gehen.
Es geht um Dannie. Meinen leiblichen Vater. Daniele.
Das letzte mal habe ich ihn gesehen, ich glaube da war ich so 2, 3 Jahre alt.
Ich weiß, dass er mich geliebt hat. Weiß es aus Erzählungen meiner Mama. Weiß es, weil ich Bilder gesehen habe, die das beweisen. Bilder auf denen er stolz Babykleidung in die Kamera hält. Bilder auf denen er lächelt und mich als kleines dickes Baby im Arm hält.
Aber dann kam das Heroin.
Ich bin nicht wütend auf ihn. Vielleicht war ich es.
Aber ich verstehe es heute. Ich verstehe nicht, warum er damit angefangen hat. Nein, das werde ich wohl nie verstehen.
Aber ich verstehe, warum er nicht mehr für sein einziges Kind da sein konnte. Warum er mich im Stich gelassen hat.
Ich weiß jetzt was Drogen aus Menschen machen können. Der Körper verfällt langsam. Aber die Seele ist viel schneller kaputt. Alles dreht sich nur noch um den Stoff. Klar, er hatte kein Geld um mich mal besuchen zu kommen. Konnte sich keinen Flug leisten, von Italien nach Deutschland.
Ich kann mich erinnern ihn mal getroffen zu haben. Ich glaube das war in diesem Märchengarten, in dem ich auch später als Kind noch manchmal mit meinen Eltern war. Zumindest ist es in meiner Erinnerung so. In meiner Erinnerung hat er mir eine Puppe geschenkt. Da bin ich mir ziemlich sicher. Ich hätte diese Puppe so gerne noch. Sie ist bei irgend einem Umzug verloren gegangen. Und er hat mir diese Liebesperlen gekauft. Die es in diesen kleinen Fläschen gibt. Diese Zuckerdinger. Die hab ich schon seit Jahren nicht mehr gegessen. Aber als Kind hab ich sie geliebt.
Er hat sich umgebracht, als ich acht war. Ich hatte nie die Chance ihn richtig kennenzulernen. Ja, ich habe einen tollen Papa. Der auch durch niemanden ersetzbar ist. Aber dennoch hätte ich gerne gewusst wie er so war. Vielleicht hätte es mir etwas darüber gesagt, warum ich bin wie ich bin. Auch wenn ich denke, dass der Charakter eines Menschen zum Einen einfach die eigene Veranlagung ist, die Erziehung und das Umfeld. Aber die Gene sind da vielleicht auch nicht ganz unwichtig. Ja, ich hätte ihn gerne besser gekannt.
Aber er hat sich umgebracht. Zu dem Song Lake of Fire von Nirvana. Ich weiß das, denn man hat ihn in seiner Wohnung gefunden während das Lied in Dauerschleife lief. Er hat sich eine Überdosis verpasst. Und wenn man so lange Heroinabhängig war wie er, passiert das nicht versehentlich.
Wahrscheinlich war sein Leben durch die Abhängigkeit nicht mehr lebenswert. Aber genau weiß ich es nicht. Ich weiß viel zu wenig ...
Komisch ist, das ich das Lied liebe. Lake of Fire. Ich liebe Nirvana. Und ich höre den Song so gerne. Obwohl ich jedes mal an ihn denken muss, natürlich.
Ich frage mich, warum er dieses Lied gewählt hat. Er scheint nicht sonderlich gut von sich selbst gedacht zu haben. Was irgendwie Sinn ergibt, wenn man sich umbringen will.
Die beiden ersten Sätze des Songs, bzw der ganze Refrain macht mich nachdenklich. "Where do bad folks go when they die? They don't go to heaven where the angels fly " Warum "bad folks"? Warum dachte er, er sei ein schlechter Mensch?
Er kann kein schlechter Mensch gewesen sein. Sonst hätte meine Mama ihn nicht so sehr geliebt. Meine Mama ist die Gutherzigste Person die ich kenne. Sie hätte keinen schlechten Menschen lieben können.
Ich frage mich oft wie es wäre, würde er noch leben. Wahrscheinlich hätten wir auch nicht wirklich viel Kontakt.
Ich erinnere mich an eine Situation in meiner Kindheit. Ich wollte immer, dass mein Papa mich adoptiert, was er bis heute nicht gemacht hat, aber das intressiert mich jetzt nicht mehr.
Jedenfalls habe ich mich mit meinem Papa unterhalten. Und er meinte, dass ich ja noch einen Vater habe. Und der bestimmt etwas dagegen hätte. Ich habe mir gewünscht er wäre tot, mein leiblicher Vater.
Abends kam meine Mama zu mir. Sie hat gemeint "Ich muss dir was erzählen. Alle haben gesagt, ich solls dir noch nicht sagen. Aber ich muss es dir erzählen." in diesem Moment habe ich gedacht "Bitte sag, dass er tot ist!" das weiß ich noch genau. Als sie es dann ausgesprochen hatte. Als sie gesagt hatte "Dannie ist gestorben" saß ich erstmal nur da. Habe "Okay" gesagt. Dann haben wir geweint, meine Mama und ich. Sehr lange saßen wir nur auf dem Sofa und haben geweint. Zur Beerdigung durfte ich nicht, obwohl ich gewohlt hätte. Ich sei zu jung.
An eine andere Situation kann ich mich noch erinnern. Ein Telefongespräch mit Dannie. Ein sehr kurzes. In meiner Erinnerung ist dieses Telefonat kurz vor seinem Tod gewesen.
Er fragte mich auf deutsch, mit sehr starkem Akezent, dass er mich an Weihnachten besuchen würde. Er fragte was ich mir denn wünsche. Ein Lernspiel, wollte ich kleine Streberin haben. (Zumindest damals war ich noch sehr fleißig) Er wusste nicht was ein Lernspiel ist, also gab ich das Telefon wieder meiner Mama, die es ihm erklärte.
Er war an Weihnachten nicht da. Meine Mama sagte mir, er habe nicht genug Geld gehabt.
Kurze Zeit später war er tot.
Ich muss jetzt aufhören zu schreiben. Auch wenn ich ihn nicht richtig kannte und er schon so lange tot ist, bald 10 Jahre, macht mich das Thema immer noch sehr traurig. Ich sollte mal wieder nach Italien, zu seinem Grab.
Ich wollte nicht so durcheinander schreiben, aber ich bin grade nicht so ganz da ...
Ich gehe schlafen.
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